Samstag, 25. Mai 2013

Nähirrtum Nr. 8

"Welchen Stoff ich nehme, ist eigentlich egal" - ist der Nähirrtum Nr. 8.

Eigentlich wollte ich mich damit auf die Güte der Stoffe beziehen, aber das reicht nicht, da auch ein ziemlich großes Unwissen und Unsicherheit darüber besteht, welche Stoffe für welche Näharbeiten geeignet sind.

Also - welchen Stoff für welchen Zweck:
Unterwäsche, Shirts, Leggings, Tunikas: Strickstoff bzw. Jersey aus Baumwolle, mit oder ohne Elasthan-Anteil, Viscose, Microfaser, Polyester
Pullis, festere Shirts, Tunikas, Kleider: Polo-Jersey, Nicki, gewebte Baumwoll-, Seiden-, Leinenstoffe
Sportsachen: Sweat, Nickisamt, Jersey, Fleece
Blusen, Hemden: Webstoff aus Baumwolle, Mischgewebe, Polyester, Seide, Leinen, Flanell, Batist, leichte Popeline
Hosen, Röcke: festere Webstoffe, Jeansstoff, Köper, Twill, Wollstoffe, Tweed, Bouclé, Cordsamt, Samt
Jacken, Westen: festere Stoffe wie Popeline, Köper, Wollstoffe, Funktionsstoffe, Mischgewebe, Kunstpelz
Mäntel, Capes: Wollflausch, Popeline, Wollstoffe

Babysachen: bevorzugt Jersey und Nickistoff, möglichst reine Baumwolle und schadstoffarm
Kindersachen: Jersey, Nicki, Sweat, Fleece, Jeans, Köper, Funktionsstoff, leichte Webstoffe

(diese Liste ist nicht vollständig und daher selbstverständlich erweiterbar, außerdem gibt es immer cross over possibilites, und Festmode habe ich gänzlich unberücksichtig gelassen)

Es kommt immer auf den Zweck des Kleidungsstückes an, welchen Stoff man auswählt.

Ein Wort zur Güte der verwendeten Stoffe

Meine These: Die Güte der Stoffe (und deren Preis) spiegelt neben der Verarbeitung das Können und die Versiertheit der Schneiderin wieder. Das kommt in etwa hin. Je geübter die Näherin, desto eher verwendet sie höherpreisige Materialien. Sie hat eher ein Gefühl für die Relation Können-Qualität und es erscheint ihr zunehmend unökonomisch, ihre Zeit und Sorgfalt bei weniger hochwertigen Stoffen einzusetzen.

Es sollte klar sein, daß man gute Qualität verwendet und zu Kleidungsstücken verarbeitet. Denn nur Materialien höherer Qualität sind die ganze Arbeit überhaupt erst wert und daraus genähte Sachen werden auch gern getragen. Wieviel Freude kann man wohl an einem Stück haben, daß schon nach dem ersten Tragen oder der ersten Wäsche seine gesamte Form verliert, weil das Material versagt?

Es ist nichts gegen preiswerte Stoffe einzuwenden, für anspruchslose und doch pfiffige Anlltagskleidung, die strapazierfähig ist und viele Wäschen aushalten können muß. Es ist auch nichts gegen preiswerte Stoffe zu sagen, die zu Probestücken verarbeitet werden, um die Paßform eines Modells zu beurteilen oder um überhaupt erst einmal zu sehen, ob einem Schnitt, Details, Stil eines Modestückes gefallen und stehen.
Aber um Lieblingsstücke zu nähen, vielleicht noch mit anspruchsvollen Details - sollte man sich vielleicht nicht unbedingt den billigsten Stoff  aussuchen. Der (billige) Preis ist zwar nicht außen draufgedruckt, aber für den geübten Blick durchaus zu erkennen.

In den letzten Jahren ist es ja mehr und mehr Mode geworden, einfache gewebte oder gestrickte Stoffe, die bunt bedruckt werden, zu verwenden. Alle Arten von Druckdessins, von Ton in Ton bis kunterbunt, auf im wesentlichen drei Arten von Gewirken: Stoffe in Leinenbindung (Patchworkstoff, Blusen), Köperbindung (Jeans), Strick (Jerseys), gelegentlich andere Webarten. Ab und zu findet man Stoffe mit Mustern durch Besticken oder Beflocken oder Ausbrennen.
Damast, Brokat, andere Arten von gewebten Musterstoffen scheinen so gut wie nicht mehr verwendet zu werden, außer für Möbel. Ich finde das schade.

Dazu kommt eine rapide Verschlechterung der Qualität, auch bei höherpreisigen Stoffen. Der Meterpreis ist mittlerweile leider kein zuverlässiger Indikator für die Güte eines Stoffes mehr, eher einer für das Aktuell-gerade-in-Mode-sein, für den aktuellen modischen Trend.

Was ist zu tun?
Einen Hersteller wählen, dessen Qualität über viele Jahre gleich geblieben ist (vor allem und zuerst bei Basis-Stoffen wie unifarbenem Batist, Popeline, Denim, Futtersatin, Jersey). Einen Stoffhändler des Vertrauens wählen, bie dem man minderwertige Ware gleich wieder reklamieren kann. Andere gute, erfahrene Näherinnen nach Tips fragen, besonders was deren Einschätzung von Modestoffen betrifft. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Blogs, die derartige Geheimtips weitergeben, man muß nur nett fragen... ;-)

Wann immer ein günstiger Meterpreis lockt - die selbstbewußte Näherin sollte sich immer wieder dieses sagen: ich bin es mir wert, von vorn herein mit guter Qualität zu arbeiten! Schließlich möchte ich es später mal mit Stolz und Freude tragen, ohne mich über die mindere Qualität des Materials zu ärgern, die meiner sorgfältigen Verarbeitung nicht entspricht. Manche Stoffe sind es einfach nicht wert, sie auch nur in die Hand zu nehmen.

Ein Qualitätsgespür entwickeln, unabhängig vom Preis. Sich von der aktuellen Mode und den Trends weitgehend unabhängig machen. Nicht immer dem neuesten DIY-Schrei in Sachen Stoff und Mode hinterherlaufen. Einen eigenen Geschmack und einiges an Urteilsvermögen entwickeln und kultivieren. 

Gutes Gelingen, Sathiya

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