Freitag, 11. Januar 2013

Nähirrtum Nr. 1

Ich möchte eine kleine Serie starten, die sich mit Näh-Irrtümern befaßt, aus meiner persönlichen Sicht und Erfahrung heraus. Die Irrtümer sind willkürlich angeordnet, das heißt, die davorstehende Nummer wertet nicht. Vielleicht ordne ich sie später noch um. Zu Beginn eine Liste, noch zu vervollständigen.
  1. jeder der eine Nähmaschine hat kann nähen
  2. Schnittmuster muß nicht angepaßt werden
  3. Zuschnitt braucht nicht so exakt sein, das zieht sich beim Nähen zurecht
  4. Nahtzugabe anzeichnen ist überflüssig
  5. Probeteil nähen nicht nötig
  6. welche Nähmaschine ist egal, Overlock unverzichtbar
  7. Stecknadeln oder Heften mit Nadel und Faden überflüssig, ich laß es weg, um Zeit zu sparen
  8. Stoffpreis und -qualität sind eigentlich egal
  9. ich bin zu blöd - ich kann das nicht
  10. ich brauche keinen Nähkurs
  11. Bügeln und Vorwaschen - frißt nur Zeit, das lass ich weg
  12. Nähtechniken - Reißverschluß, Knopfloch, unsichtbarer Saum sind zu schwer.

Der Nähirrtum Nr. 1 besagt: Jeder, der eine Nähmaschine hat, kann nähen.
Frau/man könnte sich nicht ärger täuschen.
Es ist wie mit dem Besitz eines Autos, Motorrades, Fahrrades, von Inlineskatern oder Ski - der Besitz allein garantiert leider überhaupt nicht, daß frau/man auch irgendwas vernünftiges nicht hoch gefährliches damit anfangen könnte. Leider ist das so.

Wie kommt es überhaupt zu diesem Irrtum, der ja eigentlich kein Irrtum ist sondern vielmehr ein Selbstbetrug?
Diese Frage wird von mir leicht ratlos in den Raum gestellt - und ich mache die Werbung der Nähmaschinenhersteller, alle möglichen DIY-Zeitschriften, Nähmagazine, Kreativmessen, Volkshochschulkurse, die ständige Suggestion "kauf dir nur noch dies und jenes und das da brauchst du ebenfalls, dann kannst du das ganz easy auch" dafür verantwortlich. Und die moderne Genuß- und Spaßgesellschaft, die aus allem und jedem einen Lustgewinn ziehen will und muß, sonst wäre es ja kein "fun".

In einigen Blogs stolpere ich darüber, wie naiv und blauäugig an das Thema Nähen herangegangen wird auf der einen Seite, und auf der anderen Seite, wie etwas aufwendigere Techniken regelrecht dämonisiert oder mit irrationalen Ängsten assoziiert werden, sodaß frau sich vor Angst nur auf ganz einfache gerade Nähte beschränkt. Diese werden dann aber mit einer Overlock-Maschine genäht, das sieht "so professionell" aus.

Oft genug hat die Betreffende auch keine Ausbildung im Nähen und Schneiderhandwerk, was ja an sich nicht schlimm wäre, das habe ich auch nicht, aber darüber hinaus auch nur bestürzend wenig Erfahrung und Ahnung vom Nähen - aber sie gibt selbst schon Nähkurse. Das zeugt meiner Meinung nach von Überheblichkeit, Arroganz und einem ungeheuren Unwissen und auch Ignoranz inbezug auf den Beruf eines Schneiders und auch einer Näherin.
Ich habe mich schon oft gewundert, warum so häufig zu lesen ist "Angst, den teuren Stoff zu verschneiden".
Ich glaube, der Grund dafür liegt im Irrtum Nr. 1 verborgen. Und darin, daß unter Nähen eben nur das Zusammenheften von Stoffteilen per Maschine verstanden wird, ohne zu berücksichtigen, daß eine Menge Vorarbeiten zu erledigen sind, bevor auch nur eine Naht gesteppt werden kann.

Um ein Kleidungsstück oder ein beliebiges anderes Teil mit Nähten anzufertigen, braucht es ein Schnittmuster, einen sauberen exakten Stoffzuschnitt und ein Nähtechnik. Das Zusammensetzen mithilfe einer Nähmaschine ist dabei nur eine von vielen. Man kann ein Kleidungsstück komplett ohne Maschine zusammennähen - was man dazu braucht, sind Nadel und Faden, und eventuell Stecknadeln, um die Teile zusammenzuhalten.

Meine Empfehlung und dringender Rat an jemanden, der mit dem selbstnähen beginnen möchte - Kleidung, Heimtextilien, Accessoires - mindestens einen Nähkurs zu besuchen bei einer ausgebildeten Schneiderin oder einer langjährig erfahrenen Autodidaktin, oder sich selbst mithilfe von guten Nähbüchern und Nähanleitungen auszubilden. Nicht einfach eine Nähmaschine kaufen und glauben, das lernt man man mal so nebenbei.
Einige Dinge von Hand nähen, von Anfang an. Das relativiert den Blick von Grund auf.
Und sich immer wieder  klarmachen: ein Textil steht und fällt mit einem hochwertigen Schnittmuster, einem sauberen exakten Zuschnitt und einer handwerklich sorgfältigen Nähtechnik.

Und noch etwas: das Selbstanfertigen von Kleidungsstücken ist grundverschieden vom Aussuchen eines Konfektionsteiles. Es erfordert viel mehr Vorbereitung und Überlegung, als einfach Dutzende von Blusen wieder zurückzuhängen, weil sie nicht gefallen. Das Selbstgenähte muß von Anfang an genau das sein, was wir haben wollten: damit es uns auch noch gefällt, wenn es fertiggestellt ist.

Ich wünsche viel Erfolg und Freude beim Nähen! Bis zum nächsten Nähirrtum - liebe Grüße, Sathiya

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